Zum Dienst verpflichtet

 

 

Lageristin im Ölhof

 

Fräulein Elisabeth Hermann war im Sommer 1944 gerade 19 Jahre alt. Sie wurde zum Magistrat (Bürgermeister) in ihrer Heimatstadt Bleckede bestellt und aufgrund der damals bestehenden Rechtsgrundlage dienstverpflichtet (Gesetz für den Reichsarbeitsdienst 1935, weiterhin galt: „Im Kriege ist über die Wehrpflicht hinaus jeder deutsche Mann und jede deutsche Frau zur Dienstleistung für das Vaterland verpflichtet.“  –  § 1 Abs. 3 des Wehrgesetzes). Neben dem Bürgermeister Müller war auch Herr Dammann (NSDAP) in dieser Situation anwesend gewesen. Das Wort dieser Männer reichte zur Dienstverpflichtung aus – arbeiten im Oelhof!

Fräulein Hermann war froh, in Bleckede eingesetzt zu werden, andere junge Frauen waren zu Betrieben weit entfernt von Bleckede befohlen worden (z.B. Muna in Munster). Fräulein Hermann konnte sich sogar die Schicht, in der sie im Oelhof arbeiten sollte, aussuchen.

 

Bild 1: Fräulein Elisabeth Hermann ca. 1944

Die Frühschicht begann für sie um 7.00h und dauerte bis Mittag. Am Morgen fuhr sie mit dem Fahrrad durch das Tor V an der Breetzer Straße. Landesschützen am Tor sicherten den Eingang, nahmen aber keine Ausweiskontrollen vor. Bei der Arbeit wurde auch nicht nach speziellen Ausweisen gefragt, bzw. es gab keine Ausweise für Arbeiter im Oelhof.

Fräulein Hermann musste im Materiallager, Gruppe IV arbeiten. Dieses Materiallager war in ehemaligen Oelbunkern eingerichtet worden. Hier lagerte in zwei Abteilungen Verbrauchsmaterial für die Marinewerft-Abteilung und die U-Boot Flotte. Beide Abteilungen arbeiteten streng voneinander getrennt.

Fünf Frauen und drei Männer waren pro Schicht eingeteilt. Die Arbeiter begegneten sich bei Schichtwechsel. Ein französischer und ein niederländischer Fremdarbeiter (Zwangsarbeiter) arbeiteten mit den Frauen der Frühschicht zusammen im Materiallager. Die Männer fingen am Morgen schon früher an. Um 7.00 Uhr, bei Schichtbeginn der Frauen, waren die großen Tore, die durch die Wände der Bunker gebrochen waren, schon geöffnet.

Verschiedenste Materialien, Ausrüstungsgegenstände lagerten hier und wurden über die Büros der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven, die sich im Barackenlager in der Breetzer Straße befanden, verwaltet. In den Bunkern lagerten Farben, chemische Produkte (Säuren, Quecksilber), U-Boot-Bekleidung (Mäntel, Hosen, Jacken und Pullover), spezielle Armbanduhren, verschiedene Sorten Leder (ganze Häute festes Schuhleder, feines dünnes Spaltleder), Linoleum und spezieller Stoff, eine Art Persenning (Gewebe Weinrot mit beige Kettfäden).

In den Umgängen um die ehemaligen Tanks herum lagerten Seifenflocken, Palmolive-Seife und technischer Alkohol, der in großen Korbflaschen abgefüllt war.

Die Arbeit im Materiallager der Marine unterschied sich nicht von der Arbeit in anderen Materiallagern. Angelieferte Waren wurden ausgepackt und auf die Regale des Materiallagers verteilt. Ausgehende Waren wurden auf Zetteln notiert und mussten zusammengesucht werden, um dann von den Männern in Kisten verpackt zu werden.

Der Transport der Kisten erfolgte über Feldbahngleise, die von außen (von der Straße und vom Verladegleis) durch die großen Tore bis in den Bunker hineinführten. Auf kleinen Flachwagen kamen Kisten in das Materiallager hinein und mussten dann ausgepackt werden. Über den gleichen Weg wurden die gepackten Kisten auch wieder aus dem Bunker hinausgeschoben.

Diese Art der Materialbeförderung lud geradezu zur Mitfahrt ein. Bei einer Ladung Stahlflaschen, die mit dem Flachwagen in den Bunker geschoben werden sollten, setzten sich die jungen Mädchen mit auf den Wagen und fuhren die Einfahrt zum Bunker hinunter. Unten im Bunker angekommen gab es großen Ärger, weil es sich um Sauerstoffflaschen handelte und der Transport dieser Flaschen vorsichtig erfolgen sollte. (Explosionsgefahr bei Zerstörung der Flaschen)

Der Umgang und die Handhabung einzelner Produkte wurde aber nicht durch spezielle Vorschriften geregelt. So hatte eine junge Frau einmal alle anderen Frauen zusammengerufen, weil ihr eine Flasche mit Quecksilber heruntergefallen war und die einzelnen Perlen so lustig über den Boden liefen.

Die einzelnen Waren und Produkte lagen in Regalen (Holzregale, ca. 2,5 m hoch ca. 0,8m breit). Um an die oberen Regale zu gelangen, benutzten die Frauen kleine Holzleitern. Die Bunker im Materiallager hatten untereinander keine Verbindung. Die Umgänge waren generell verschlossen und wurden nur von Vorgesetzten geöffnet, wenn dort Waren herausgenommen oder bewegt werden sollten.

Im Sommer 1944 wurde zunächst in eigener (privater) Bekleidung gearbeitet. In den Bunkern bestand aber eine erhebliche Geruchsbelastung, die durch die frühere Befüllung mit Oelprodukten herrührte. Später, im Winter 1944/45, wurden warme Overalls als Arbeitskleidung ausgegeben (Farbe beige).

Ab Jan. 1945 wurde Fräulein Hermann in die Büros zur Unterstützung der Buchhaltung versetzt. Die Büros befanden sich im Gebäude Nr. 68 an der Breetzer Straße. Hier wurden die Frachtpapiere bearbeitet. Der gesamte Warenverkehr ging nach Wilhelmshaven. Die Frachtpapiere trugen keine Zusätze wie z.B. „Geheim“ o. Ä.

Im April 1945 wurde die Arbeit im Materiallager im Oelhof in Bleckede eingestellt.

 

Bild 2: Frau E. Dähne, geb. Hermann, 2006

 

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