Bericht 3

 

24.05.2006

 

In der einundzwanzigsten Ausgabe der Elbmarsch-Post im Jahre 2006 erscheint der „3.Werkstattbericht“ über die Arbeit am Ölhof-Projekt.

 

 

Sonntagsspaziergang zum Ölhof

 

Werkstattbericht „Ölhof 3“

 

Bleckede. Die Bäume sind grün, Wald und Elbe locken: Kommen Sie mit auf Sommerfrische nach Bleckede! Wir schreiben das Jahr 1923. Die Wahl der Unterkunft war nicht leicht zu treffen. Das Gast- und Pensionshaus Heisterbusch wirbt mit seiner einmaligen Lage, Barskamp und Breetze als Luftkurort. Die Verbindungen hierher mit Bahn, Postauto oder dem Lauenburger Dampfer sind gut. Wir haben uns für die mehr städtische Lage entschieden und kehren in Bleckede ein im Gasthaus „Zum Weißen Ross“ von Wilhelm Burmester. Da ist der Weg nicht weit zum Kaufhaus Fahlbusch, um nach Badeartikeln zu schauen, oder um den Damen-Putz im Kaufhaus für Manufaktur- u. Modewaren. Bei Hermann Mahnke in der Lüneburger Landstraße 56 probieren wir Schuhe der Marken „Salamander“ und „Wolko“. Mit drei Geschäften für Bekleidung, zwei Schuhgeschäften, zwei Kolonialwarenläden, Weinhandlung, Drogerie, Schneiderei, Flussfischhandlung, Schlachtereien und mehreren Bäckereien ist das Angebot groß.

Die Bahn fährt zum Glück seit einigen Jahren nicht mehr direkt durch den Ort. Zum Baden ist es heute an unserem letzten Tag zu kühl. Wie wäre es noch mit einem Spaziergang? Ideen gibt uns der „Führer durch Bleckede und Umgegend“ vom Verkehrsverein. Fuß-Tour Nr. 2:  Bleckede, Spröckel, Waldfrieden (2,5 km): Das klingt gut. Da heißt es: „Unser Weg führt auf der Breiten Straße an dem Kücken-Denkmal (Fr. Kücken, bedeutender Liederkomponist, war ein geborener Bleckeder), etwas weiter an der Molkerei und dem Elektrizitätswerk vorbei bis zum „Wendischthuner Brack“. Hier biegt die Landstraße nach Süden, und nach etwa 8 Minuten nimmt uns der Spröckel auf. Rechts ist die Öltankanlage. Große Betontanks, die in der Erde zum Teil eingebaut sind, sollen der Lagerung von Rohöl dienen. Links ist herrlicher Mischwald, schlanke Kiefern und Fichten wechseln mit stattlichen Eichen und Buchen.“

 

Quelle: „Bleckede an der Elbe und Umgegend.“ Reiseführer Verkehrsverein Bleckede, C. Grosse’s Buchdruckerei, Bleckede 1927.

 

Das Marinenachschublager zwischen den Weltkriegen

 

Die Öltankanlage, die sich hier so friedlich in die Landschaft integriert zeigt, ist in der Tat etwas Besonderes im Deutschen Reich – gibt es doch seit dem Ersten Weltkrieg nur zwei solcher Art für die Marine: In Achim an der Weser und eben hier in Bleckede. Die Aktivitäten hier sind allerdings 1923 vollständig zum Erliegen gekommen, vor allem aus politischen Gründen. Nach dem Versailler Vertrag war in Deutschland der Unterhalt von U-Booten und Großkampfschiffen verboten, alle militärischen Anlagen sollten eingestampft werden. Während unserer Sommerfrische 1923 zeigt nach längerem Stillstand eine Gruppe von drei Männern Interesse an der zivilen Nutzung der Anlage. Die Herren Bergmann, Levi und Schmiedekampf treten in Verhandlungen mit dem Reich und bekommen in der Tat mit Genehmigung vom November die Ölanlage in Bleckede übergeben. Noch 1934 aber beschäftigt dieser Vorgang die Gerichte. Bergmann, Levi und Schmiedekampf können nicht zahlen, sie sind mit ihren kaufmännischen Versuchen in die Mühlen der Geschichte geraten. Nicht nur sie werden überrannt von der rasend schnellen Geldentwertung im Deutschen Reich 1923. Auch die Bleckeder Kleinbahn trifft es hart.

 

Quelle: „Bleckede an der Elbe und Umgegend.“ Reiseführer Verkehrsverein Bleckede, Fahrplan, C. Grosse’s Buchdruckerei, Bleckede 1927.

 

Weiter zum Waldfrieden und Überraschung am Fahrkartenschalter

 

Doch lassen sie uns zunächst weiterspazieren, von der Öltankanlage immer geradeaus. „Nach etwa 10 Minuten gelangt man zu der Waldwirtschaft „Waldfrieden“. Gute Sitzgelegenheit, Erfrischungen aller Art erhält man hier zu soliden Preisen: auch die gute Doppelkegelbahn wird gern benutze.“ Nach solch angenehmer Pause heißt es aufbrechen und zurück in den Ort, denn um 18.50 Uhr fährt der letzte Zug Richtung Lüneburg. So schön es hier war, am Fahrkartenschalter erwartet uns eine unangenehme Überraschung. Während wir für die Hinreise am 4. August pro Kilometer noch 3.200,- Reichsmark zu zahlen hatten, sollen es jetzt, nur eine gute Woche später, bereits 10.000,- Reichsmark sein! Wir haben es fast geahnt – war doch auch die Hinreise schon um 250% teurer als die Fahrt unserer Freunde im Juli.

 

Inflation bei der Bahn

 

Die Bleckeder Kleinbahn ist in der Tat in Bedrängnis. In kurzen Abständen muss sie die Fahrpreise massiv erhöhen, um mit den übrigen Kosten für Kohle und Löhne Schritt halten zu können. Im September 1923 schreibt die Geschäftsführung dem Landeskleinbahnamt Hannover: „Wir können uns der schwersten Bedenken hinsichtlich des Erfolges dieser Tarifpolitik nicht entsagen, um so mehr, als nach der neulichen mündlichen Mitteilungen trotz weitestgehender Erhöhung der Tarife die Einnahmen nicht ausreichen, um den Kohlen-Vorrat zu ergänzen. Es muss unseres Erachtens unverzüglich in Erwägungen eingetreten werden, welche Maßnahmen zu treffen sind, um die unter den obwaltenden Umständen dringend befürchtende völlige Einstellung des Betriebes zu verhindern.“ Ende Oktober beträgt der Preis für einen Personenkilometer 250.000.000,- Reichsmark.

 

Schreiben vom Landeskleinbahnamt an die Bleckeder Kleinbahn, Okt. 1923

 

Keine Verpachtung des Ölhofes

 
„Die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich grundlegend geändert“, konstatieren Bergmann, Levi und Schmiedekampf. Drei Monate nach der Einigung verweigern die drei die noch fehlende Unterschrift unter den Pachtvertrag zur Ölanlage. Es kommt zum Prozess, da die angehenden Pächter in der Zwischenzeit bereits Material aus der Anlage entnommen und zu Geld gemacht haben. „Während des von mir geführten Prozesses stellte sich die völlige Mittellosigkeit der einzelnen Prozessgegner heraus.“, schreibt der Anwalt Schmiedekampfs 1934 bei einem Antrag auf Einstellung des Einziehungsverfahrens. Denn selbst die Zahlung eines geschlossenen Vergleiches konnten alle drei nicht oder nur teilweise leisten.

Andere Interessenten hat der Ölhof bis in die Zeit des Dritten Reiches nicht gefunden. Wie die Geschichte des Ölhofes dann doch weiterging: Dazu zeigen die nächsten Werkstattberichte in der Elbmarsch Post.
 

Abschied von Bleckede

 

Wir verlassen Bleckede wieder per Bahn über Neu Neetze, Neetze, Boltersen und Rullstorf. Vorbei an Scharnebeck führt die Linie weiter nach Erstorf und nach einer knappen Stunde erreichen wir Lüneburg. Vorbei ist der Urlaub.

 

-EP-Redaktion/lh-

 

Quelle: Elbmarsch-Post, Boizenburger Str. 3, Postfach 170, 21354 Bleckede

 

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